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SOMMERNACHTSTRAUM

SOMMERNACHTSTRAUM

Schauspielhaus, Düsseldorf

2014

Liebesverwirrungen: Demetrius soll Hermia heiraten, doch die liebt Lysander und wird von ihm geliebt. Die beiden fliehen aus der Stadt in den Wald, gefolgt von Demetrius, der seinerseits von Helena verfolgt wird, die ihn begehrt. Liebe als Verfolgungsjagd.

Im Wald liegen die Herrscher des Elfenreiches, Titania und Oberon, in einem heftigen Streit um einen schönen Knaben, den beide leidenschaftlich begehren. Dieser Streit bringt die Natur in große Unruhe – die Gesetze von Zeit und Raum sind in dieser Sommernacht auf den Kopf gestellt.

In der Gegenwelt zur geordneten Stadt herrschen Elementargeister, unerkannte Mächte, vor allem die Macht des Eros und des Rausches. Die Liebenden sind getrieben von diesen Mächten, Lüsten, Begierden, in einer »midsummer madness«, die über ihren Verstand geht.

Auch die Elfenkönigin wird Opfer ihres eigenen sexuellen Verlangens und erliegt im Traum – oder in der Wirklichkeit? – dem Liebesrausch mit einem Esel.

Diese Welt des Rausches, des Sexus, die sieht der katalanische Regisseur Àlex Rigola gespiegelt in einer Gesellschaft, die in den frühen 60er-Jahren in New York Mittelpunkt einer Künstler-Avantgarde war, der Factory des Andy Warhol.

Tänzer, Sänger, Schauspieler, Filmemacher und jede Menge Groupies, Sinnsucher und Liebessüchtige trafen sich hier zu rauschhaften Sessions, bei denen Bilder gemalt, Filme gedreht, Songs erdacht und gespielt, Performances ersonnen und aufgeführt wurden. A walk on the wild side.

Wie belebend und zerstörerisch diese durch Drogen und Passionen kreierten Traumwelten  sein können, wie übermütig, vergnügt und verzweifelt die Menschen auf ihrer Suche nach Erfüllung, Genuss und Erregung sind, zeigt die Komödie Shakespeares. Und die Geschichte der Factory.

Regie                Àlex Rigola
Bühne               Max Glaenzel
Kostüme           Regina Rösing
Musik                Nao Albet
Dramaturgie      Eva-Maria Voigtländer  
Dramaturgische Mitarbeit   Eleonora Herder  
Theseus – Artus-Maria Matthiessen
Lysander – Andreas Helgi Schmid
Demetrius – Heisam Abbas
Peter Squenz (Quince) – Daniel Fries
Schnock (Snug) – Lutz Wessel
Zettel (Bottom) – Urs Peter Halter
Flaut (Flute) – Marcus Calvin
Schnauz (Snout) – Katharina Lütten
Hermia – Sarah Hostettler
Hermia (für Sarah Hostettler am 13. November) – Hanna Werth
Helena – Pia Händler
Oberon – Sven Walser
Titania – Edgar Eckert
Puck – Moritz Führmann
Elfe – Klara Deutschmann

Das alles ist also wunderbar gespielt, sehr lustig, stimmig und opulent inszeniert, die leichtfüßige Übersetzung von Angela Schanelec, die zwischen fröhlichen Versen und gewichtigen Sätzen variiert, liegt den Schauspielern leicht im Mund: eine saubere, schöne Arbeit, die die zuletzt so theaterrenitenten Düsseldorfer zu Standing Ovations treibt.

www.nachtkritik.de, 20.09.2014

Der katalanische Regisseur Álex Rigola verlegt Elfenkönig Oberons mystischen Wald der Verwechslungen in Andy Warhols Factory. Einmal in Warhols World, werden die beiden jungen Athener Hermia und Demetrius gefilmt in ihrer Liebesverzweiflung und erliegt ihr Freund Lysander im Museum Oberons Liebesgruseltrank, der ihn zu zombieesken Verzerrungen verführt. […] Und überhaupt sind zwei Stunden ohne Pause lang die Machtverhältnisse völlig klar: Der König des Waldes befiehlt und lenkt, wohlwollend, aber nicht gnädig. Und da jeder in jeder peinlichen Pose gefilmt und fotografiert wird, öffnet sich in all den Machtspielchen und unter der Factory-Oberfläche ein Horror-Abgrund im Kaleidoskop von Kunst, Markt und Medien, für die mit ihren masochistischen und sadistischen Mechanismen ein Absturz nur vorübergehend Geltung hat.

Deutschlandradio Kultur, 20.09.2014 (Hören Sie den kompletten Beitrag: http://goo.gl/qELIIm)

Die Inszenierung lebt vom Wechsel auf einer im Stil der Factory bestückten Drehbühne (Max Glaenzel) mit vielen Räumen; sie lebt von Laut und Leise, Chopin und Velvet Underground, von großen Gefühlen und dem Rausch der Liebe. […] Am Ende brandet großer Applaus auf.

Rheinische Post, 22.09.2014

Schauspielerisch glänzt Moritz Führmann, als Puck ohnehin die Mitte des Stücks. Er macht auch tänzerisch (neben und mit der wahren Elfe Klara Deutschmann) eine mehr als gute Figur. Andreas Helgi Schmid, Sarah Hostettler, Pia Händler und Heisam Abbas als Bäumchen-wechsel-Dich-Paare agieren zuweilen etwas übertickert, sorgen aber für kräftige Lacher und gute Stimmung im Parkett. […]Langer, jubelnder Beifall für das Ensemble wie das Regie-Team.

NRZ/WAZ, 22.09.2014

Rigola hat Personal und viel Text gestrichen, Passagen montiert, Rollen stärker oder anders bewertet, besonders die des Puck. Puck regiert allmächtig in der sündigen Kunstbude. Er ist Herr über den Zaubertropfen, der die Liebenden verwirrt; und der Puck ist immer da, er schlägt das Rad, fährt splitternackt mit dem Fahrrad über die Bühne, nimmt irgendwann wie Meister Warhol selbst die Kamera in die Hand, beschwört die neuen Medien und zeichnet das Geschehen auf. All dies macht Moritz Führmann glänzend.

Rheinische Post, 22.09.2014

Regisseur Alex Rigola und sein Team haben keinen Aufwand gescheut, um bunt die These zu untermauern: Shakespeares anarchischer Feenwald, jener, in dem die spießigen Gesetze der Liebe außer Kraft gesetzt sind zugunsten von Rausch, austauschbarem Sex und Dauerparty, ist am besten in der anarchischen Drogenwelt der Kunstkommune darstellbar – auch wenn diese ja selbst schon ein historisches Artefakt der sechziger Jahren darstellt. […] In einer der stärksten Szenen des Abends verwandelt sich Zettel alias Warhol-Jünger John Giorno bei den ersten grellen Performance-Proben in einen Esel. Urs Peter Halter stellt Zettels Verwandlung als paranoiden Drogenrausch nach – mit all den Einsamkeitsabgründen, die sich so auftun mögen, wenn man sich auf einmal bei absurden Sexspielen im Hinterzimmer eines Ateliers wieder findet.

Deutschlandfunk, 21.09.2014